E-Mail-Interview mit Marius Heckmann, August 2014
von Stephan Weitzel
Stephan Weitzel : Hättest du keine Pinsel, keine Farben, Stifte nicht, womit würdest du Bilder schaffen?
Marius Heckmann : Gedichte, kurze parabelartige Geschichten
S.W. : Was treibt dich zum Werk, ist es das Bild oder ist es die Malerei?
M.H. : Am Anfang steht die Malerei, d.h. (mehr die Handlung) die Tätigkeit, nicht (als) das Erleben.
S.W. : Also ist es mehr der Akt des Malens, nicht die Dringlichkeit, mit Malerei ein Bild zu schafen? Ist das Bild also eine Art Nebenprodukt der Malerei? Und wenn so, ist dann der Bildinhalt, den ich in deinen »gegenständlichen« Bildern ja doch sehe - und schätze -, eher zweitrangig?
M.H. : Für mich als Maler ist der Bildinhalt in der Tat zunehmend zweitrangig geworden. Er ist Anlass, wie die Zündung beim Motor. Aber ohne ihn bzw. das Wahrgenommene und das Komplexe, das dabei abläuft, geht nichts im Gegenständlichen.
S.W. : Gibt es in deinem Werk eine unterschiedlich gewichtete Bedeutung von Prozess und Resultat? Will heißen? Betrachtest du bereits den Prozess (a) als Werk (oder als Teil des Werkes), oder erst das finale Bild (b)? Und beinhaltet dies im Falle (a), dass das erwünschte Resultat im Prozess gesucht wird, im Falle (b), dass der Prozess im Ergebnis sichtbar bleiben muss?
M.H. : Hängt vom Bild ab.
S.W. : Heißt das, beide Varianten, (a) und (b), kommen vor? Kannst du je ein Beispiel geben und das etwas ausführen?
M.H. : Meine abstrakten Bilder sind am Prozess orientiert. Die Gegenständlichen am Resultat.
S.W. : Dialogisierst du, Mensch und Künstler, eher mit deinen Werken und brauchst (oder die Werke brauchen) kein Publikum, oder sind die Werke Prätext für den Austausch mit den anderen? Und wenn so, warum geht es nicht einfacher, direkter?
M.H. : Am Anfang steht der Dialog mit dem Bild, d.h. mit meiner Wahrnehmung, das gilt basal auch für den Betrachter. Kommunikation mit anderen darüber hat mit Wahrnehmung nicht mehr wirklich etwas zu tun.
S.W. : Der Dialog mit dem Bild oder mit der Malerei? Mit dem Bild als Werk?
M.H. : Den Dialog mit meiner Wahrnehmung (dem Bild) führe ich über die Malerei. Resultat = Werk (Arno Holz: Kunst=Natur-X).
S.W. : Ist also Kunst, sofern wir uns darauf einigen, dass deine Bilder/Werke als solche zu bezeichnen sind und als solche „funktionieren", nicht eine Art Vorlage, um mit anderen zu kommunizieren, auch über eben jene Wahrnehmung, die zum Werk geführt hat? Hätte dieser Austausch mit dem Publikum, das, sobald Dialog entsteht, ja nicht mehr theoretisch sondern
konkret ist, nicht doch auch zu tun mit Wahrnehmung, mit der Wahrnehmung eben dieses Austauschs und der eigenen Wahrnehmung, wie die anderen das von einem selbst im Werk(-prozess) Wahrgenommene wahrnehmen? Also eine wichtige Erfahrung, ob und wie Rezeption stattfndet?
M.H. : Das Werk ist was es ist. Alles andere ist anders. Auch die Wahrnehmung anderer dessen, was es ist. Wahrnehmung ist wohlgemerkt der Kommunikation vorgeordnet.
S.W. : Wo siehst du, physisch und in Hinblick auf seine Rezeption, dein Gesamtwerk zwanzig Jahre nach deinem Tod?
M.H. : Keine Ahnung. Letztlich ist alles Asche. Zum Tun sind wir so oder so gezwungen.
S.W. : Was hat dein Werk, also dein Blick, deine Haltung, was andere nicht haben?
M.H. : Wenig. Außer natürlich der Selektion.
S.W. : Das bedeutet also, dass du der Wahrnehmung, DEINER Wahrnehmung, einen höheren Stellenwert einräumst als deiner Fähigkeit der Umsetzung, richtig? Ein Heckmann zeichnet sich also nicht dadurch aus, dass er so oder so geMACHT ist, sondern dass er so oder so geDACHT ist? Hattest du je innere Debatten darüber, ob Malerei hierfür die adäquateste Umsetzung ist?
Oder drückt sich die Wahrnehmung (sagen wir: auch »der Welt da draußen«, Zeitgeschehen, Zeitgeschichte) für dich auch (und gerade?) in der Umsetzung mit Pinsel und Farbe aus? Was hieße, du atmest mit Farbe und Borsten.
M.H. : S.o.
S.W. : Der Augenblick vor dem ersten Pinselstrich, Leinwand vor Augen, was geschieht da?
M.H. : Ist alles lange vorher geschehen.
S.W. : Also ist die Arbeit am Werk „nur" der Angleichungsprozess von Vision und Ergebnis? Das klingt konzeptueller als es die Aussage zu Bild versus Malerei vermuten lässt...
M.H. : Ja, ohne „nur”.
S.W. : Was verbindet außerhalb von dir, innerhalb des Werkes, die verschiedenen, anscheinend disparaten Stränge deines Schaffens? Stellt sich für dich überhaupt die Frage nach dem Stil? Wie?
M.H. : Letztlich ist alles Farbe auf Leinwand, also immer dasselbe. Die Frage, ob etwas zu etwas anderem passt, also die Stilfrage, verschleiert das Paradox der menschlichen Situation, das Absurde.
S.W. : Richtig, Klassifizierungen sind rationales Ankämpfen gegen dieses Absurde, Untröstliche. Wie begegnest du aber diesem doch nicht auszumerzenden Hang (der Rezipienten), wenn schon nicht Widersprüchlichkeiten in den Strängen zu sehen und zu suchen, so doch verstehen zu wollen, wie das eine das andere bedingt, mit ihm zusammenhängt, oder wie es vielleicht auch einfach isoliert(er) dasteht?
M.H. : Durch das Arbeiten in Serien. Wenn ein Rezipient beschränktermaßen nur ein Faible für Nackedeis hat, dann sieht er mich halt nur als Aktmaler.
S.W. : Wie sähen deine Bilder aus, was würden sie transportieren, wärst du anderswo sozialisiert, sagen wir: in Frankreich, in New York? Welche Bedeutung hat Herkunft und Kontext in dem, was du schaffst?
M.H. : Meine Kontingenz beruht darauf, dass andere Möglichkeiten im Dunkeln bleiben.
S.W. : Guter Punkt! Die Frage war natürlich auch halb durch die Blume die Frage nach der Deutschheit deines Werkes. Was ist deutsch für dich, und was von dieser Defnition zeigt Spuren in deinem Schaffen, im Werk?
M.H. : Ich bin so deutsch, wie man nur sein kann.
S.W. : Das unmögliche Bild, das nicht zu erreichende, wie sähe das aus? Was macht es unmöglich?
M.H. : So ein Bild kenne ich nicht. Besser, mache ich nicht.
S.W. : Bedeutet dies, du rührst nicht daran, du suchst und vermutest nicht, dass es ein solches Bild geben könnte, willst davon nichts wissen und wüßtest du davon, wolltest du es nicht versuchen? Oder heißt es affirmativ: „Jedes Bild, das ich will, kriege ich!"?
M.H. : Meine gegenständlichen Bilder sind Hinweise auf eine Realität, die nicht übersteigbar bzw. verstehbar ist.
Zehn Fragen von Marius Heckmann an Stephan Weitzel:
M.H. : Siehst Du in meiner Arbeit eine Relevanz bzgl. kulturell/gesellschaftlicher Kommunikation? Wenn ja, welche? Wenn nein, wieso nicht?
S.W. : Absolut, ja! Allerdings in einer Sprache und getragen von einer Kultur, deren Relevanz ob ihrer schwindenden Verbreitung in unserer aus Communitys bestehenden Gesellschaft mehr und mehr fraglich wird, aber das betrifft viele von uns. Die Frage ist also eher, ob die Gesellschaft noch bereit und befähigt ist, das zu empfangen, was deine Arbeit ihr anbietet, und nicht so sehr, ob du ihr etwas anbieten kannst, was sie hören und sehen möchte. Passt man das Angebot der Nachfrage an, oder schafft man das, was einem selbst das Essenzielle scheint, und zählt darauf, dass dies sich sein Publikum finden wird? That is the question.
M.H. : Berührt dich etwas in meiner Arbeit? Ja/nein, kannst du es beschreiben?
S.W. : Mich berührt die Freiheit deiner Arbeit, d.h. ihr stetes Sich-bewusst-Sein über ihre Grenzen. Und diese Grenzen sind weit abgesteckt und werden über breite und tiefe Wege erschlossen. Grenzen heißt: wissen, wo man sich bewegt, also Bewusstsein. Dazu gibt es, klar, einzelne Werke, die mich berühren, also jene, die tiefere Instanzen in mir ansprechen, Werke, die in sich leuchten und die daher in meinem Schauen mich beleuchten. So z.B. der Akt, der bei mir hängt. Mich berührt auch der Humor vieler Werke, dieses Lachen, das aus dem Bewusstsein kommt, wie circumstancial alles ist, aber auch wie verdammt ernst und wichtig. Ein Lacher als Menschwerdung.
M.H. : Was macht für dich die spezifsche Qualität meiner Malerei aus?
S.W. : Die spezifische Qualität deiner Malerei besteht für mich darin: Sie ist Malerei und will nur Malerei sein. Kein Schielen in Nachbars Garten. Sie weiß, was sie kann. Und sie lebt gerade durch ihre Breite, weshalb (siehe unten) ich am liebsten ALLES ausgestellt sehen würde. Das heißt, das Können von B, C und D lässt auch A stärker schwingen, als wenn deine Malerei nur A anzubieten hätte, etc. Die Sprache dessen, der andere Sprachen spricht als die Muttersprache, klingt anders und sagt anderes als die Sprache des Nur-Muttersprachlers.
M.H. : Wo siehst du Schwächen?
S.W. : Zunächst würde ich Schwächen wenn schon eher in meiner Schwäche des Schauens und des Verstehens suchen. Ich kann Schwächen, sofern ich welche sehe, am besten an konkreten Bildern festmachen, so wie wir ja bei meinen Atelierbesuchen auch über einzelne Werke sprechen, also bei Fragen zu Gewichtung, Komposition oder anderen »Küchenfragen«. Aber allgemein hat mich das Betrachten deiner Werke nie mit einem Gefühl des Mankos zurückgelassen. Beim Nachdenken jetzt kommt mir dies hier in den Sinn, und das ist wohl eher mein persönlicher Gusto und nicht so sehr eine Schwäche deiner Arbeit: Ich würde an mancher Stelle gerne eine gewisse, wenn auch kontrollierte Ausuferung des Arbeitens sehen, also eine Fortsetzung der Malerei mit anderen Mitteln, z.B. Zeichnung oder die Einbindung der Arbeiten in einen installativen Aufbau mehr denn in eine simple Ausstellungshängung. Oder das mehr pushen, was ich zeitweise angedeutet gesehen habe: die Einbeziehung von »Kitsch»-Objekten oder gimmicks, die dann mehr als ein Augenzwinkern sein könnten. Z.B. ein kompletter Display solcher auf dein Werk strahlender Einflüsse und Referenzen... Aber das geht dann doch schon in Richtung einer anderen Arbeit. Deshalb gleichzeitig: Schuster, bleib bei deinen Leisten!
M.H. : Was fehlt dir?
S.W. : S.o.
M.H. : Wo würdest du meine Arbeit im Kunstdiskurs einordnen?
S.W. : Bei den Klassikern, nicht bei den Modesurfern. Bestimmt lässt sich etwas ordnen und einordnen, oder umordnen. Doch sehe ich, wenn ich mich in Bezug auf meine (beschränkte) Kenntnis des Kunstdiskurses befrage, vorallem das, was deine Arbeit eigen macht. Ich sehe keine Spuren von Kampf um die Malerei, das Malen, als Sprache, als Mittel. Malerei ist. Punkt. Also keine ideologischen Auswirkungen, was auch der Epoche geschuldet sein kann, schwer zu sagen!
Ich sehe sie aber auch nicht in Bezug zum Neo-Expressionismus und dem Anknüpfen an eine »Tradition» vor den Weltkriegen und damit dem Ausklammern einer anderen Zeit... Weder konzeptuell noch visuell sehe ich da Verbindungspunkte von deiner Arbeit zu der anderer Maler. Aber auch nicht zu Bad Painting, nicht zur Leipziger Schule und auch nicht zu jüngeren Revivals der Spektakel-Malerei à la Daniel Richter oder Jonathan Meese (der ja auch eher Allrounder und Konzeptualist denn Maler ist). Im besten Fall (und der beste Fall scheint mir in deiner Arbeit präsent zu sein, »best» kann er aber in der Rezeption nur werden, wenn es eine Bewegung der Kritik deiner Werke im öffentlichen Kunstbewusstsein gibt) kann deine Arbeit dies alles zu einem gewissen Grade beinhalten, oder eher noch: umspannen oder überspannen und dabei etwas Eigenens anbieten, etwas, das definitiv in einer Tradition, d.h. einem Bewusstsein steht, aber auch im Hier und Jetzt. Die Gefahren, die ich für die Rezeption deiner Kunst sehe: dass jene, die den Impetus deiner Werke (noch) lesen und verstehen können, in Mode und Ideologie auf anderen Baustellen unterwegs sind, und dass das »Deutsche» an Teilen des Gegenständlichen festgemacht werden könnte und dann auf alles andere »abfärbt», wenn dieser Aspekt eben gerade nicht angesagt ist. So auch vom Ausland: Ich meine, deine Arbeit könnte eine schnellere und »bessere» Rezeption von außen erfahren, dann aber gearade basierend auf diesen »deutschen» Elementen (weil der Markt und eben viele Hirne und Herzen so ticken): das ist ein etabliertes Label. Allerdings könnte darin das Eigene, sehr Spezifische deiner Arbeit und auch alle anderen Aspekte untergehen. Gleichzeitig aber: Wenn dies nicht die Zugpferde sind, scheint mir noch schwieriger, die Komplexität deines Schaffens hervorzustellen und dem Publikum aufzuzeigen. In dieser Hinsicht fehlt dann doch etwas, aber nicht mir, sondern »dem» Markt: der Spaß- und Leisure-Faktor! Dafür ist deine Arbeit dann zu seriös, zu gewichtig, zu wenig formell-spielerisch. Sagen wir so: Bei der Casting-Show zum Maler-Shooting-Star - die es gibt und die vieles (aber nicht alles!) des Markttreibens entscheiden wird, stünde dein Stern nicht so sehr an erster Stelle... ;-))) (Zum Glück!)
M.H. : Was und wie würdest von mir ausstellen wollen?
S.W. : S.o.
M.H. : Wie siehst du z.B. meine Aktmalerei im Verhältnis zu anderen Arbeiten?
S.W. : Als die Kontinuität des Selben mit anderem Sujet.
M.H. : Wie siehst du meine Arbeit im Vergleich zu deiner?
S.W. : Zwischen dieser und der nächsten Frage kann ich nicht unterscheiden. Aber vielleicht bin ich auch nur zu faul zum Denken! :-)
Deine Arbeit ist viel stärker in der Materialität und im Prozess verankert. Auch wenn ich dem Material eine Bedeutung beimesse, so genüg es mir doch, dies durch etwas anderes sagen zu lassen (konzeptuell), während es bei dir da schon in der Sache selbst, also Form, Material, Farbe enthalten sein muss. Mir scheint meine Arbeit expliziter, deine impliziter zu sein.
Für mich ist meine Kunst die Fortsetzung anderer Belange mit künstlerischen Mitteln. Ich zeichne nicht, um zu zeichnen. Es ist immer nur Vorwand für etwas Anderes (kommunizieren, Inhalte vermitteln).
Das sehe ich bei dir ganz anders: Du würdest eingehen, wenn dir die malenden Hände gebunden wären, right?
M.H. : Wie siehst du deine Arbeit im Vergleich zu meiner?
S.W. : S.o.