KUNSTRUNDGANG
Meike Jansen schaut sich in den Galerien von Berlin um



taz Berlin lokal Nr. 7644 vom 20.4.2005, Seite 27, 64 Kommentar Meike Jansen, Kolumne

Die Situation ist schwierig: Der Feinstaub ruiniert die Gesundheit, die finanzielle Situation die nächtliche Ruhe. Und dann liest man von einem Pärchen, das mit 2.000 Euro an Spendengeldern nach Sri Lanka fuhr, aber nach nur wenigen Tagen unverrichteter Dinge die Rückreise antrat, da sie kein Elend sehen konnten. Helfen ist eben nicht zwingend ein romantischer Akt. 
Den suchte man auch am Wochenende im Stadtbad Oderberger Straße vergebens, obwohl hier ein romantischer Maler im Mittelpunkt stand. Denn am Boden des Beckens türmte sich eine plastische Rekonstruktion von Caspar David Friedrichs Bild "Das Eismeer" aus scharfkantigem, weißem Holz, umringt von Ölbildern des Künstlers Marius Heckmann und Textdokumenten aus der NS-Zeit. Die Bilder Heckmanns sollten auf die Ausstellung "Entartete
Kunst" verweisen. Eine Tapete mit feiernden jungen Menschen im Stil einer Beatparty bot den Hintergrund für einige der Gemälde. Dazu gab es Lieder von Robert Schumann live vorgetragen. In den Duschräumen waren Reproduktionen der Bilder Hitlers zu sehen, bei deren Betrachtung man direkt unter die Duschen trat. Plakative Fragmente, die sich mit dem Raum zu einer unwirklichen Atmosphäre zusammenfanden. Doch zurück zum Eismeer C. D. Friedrichs, dessen Deutung weit über das bloße Darstellen einer Schiffskatastrophe hinaus geht. Die Kälte der politischen Landschaft, damals hervorgerufen durch den gefassten Beschluss, alle Freiheitsbestrebungen in Europa zu unterdrücken, bewirkte eine Vereisung des Klimas. Die nach oben getürmten Eisschollen, riesig gegen das fast schon versunkene Schiff - die "gescheiterte Hoffnung" -, sind ein klagendes Mahnmal in der Eiswüste. Aber oben öffnet sich der Himmel. An der Oderberger Straße aber blieb der Raum geschlossen. Keine Hoffnung in Sicht?