Eine Entgegnung zur Tautologie der Bilder von Birgit Szepanski


Ein Leitfaden, um die Malerei Marius Heckmanns begreifen zu können sind Begriffe, das heißt Worte und ihre bildlichen Konnotationen. Es ist ungewöhnlich einen Text über einen Maler mit dem Hinweis auf Sprache zu beginnen. Bei Marius Heckmanns Werken macht es Sinn und vielmehr noch: der Sinngehalt seiner Malerei wird durch das Nachdenken über Begrifflichkeiten wie Pathos, Heroen, Klischees brisant und kehrt zudem den
Sinn seines Malens, seine Antriebskraft umso deutlicher hervor.

Den Widerstreit oder Wettstreit zwischen Inhalt und schöner Form in der
 Malerei löst Marius Heckmann einmal durch ironische Zuspitzung, einer kritischen Aussagekraft und Reflexion über seine Bildmotive – des weiteren mittels der einzigartigen Zeitlichkeit der Malerei, indem er der medialisierten Alltagswelt, aus der er die Bildmotive entnimmt (Fotografien aus Magazinen, Zeitschriften, Katalogen) eine, auf die Leinwand fixierte und sich dort massiv entfaltende Zeitlichkeit entgegen setzt. Genau hier, an diesem Punkt beginnt das Nachdenken über jene Begriffe, die unmittelbar, fast zwingend mit denen von Marius Heckmann ausgewählten Motiven verknüpft sind.

Können die Bildsujets eines: Boxkampfringes, eines angeschlagenen Boxers, einer Frau aus den 1930er Jahren am Esstisch (Titel: „Eva II“) oder ein gemalter Stacheldraht, ein Einfamilienhaus, ein lapidarer Graffitispruch, scheinbar fliegende Gestalten (Titel der Bildserie: „09-11-01“) und informellabstrakte Pinselstrich-Bilder mehr aussagen, als das, was auf ihnen im ersten Blick zu sehen, zu erkennen und in Schlagwörtern wiederzugeben ist? Die Antwortlautet nein. Das, was Marius Heckmann jedoch sichtbar macht ist: Ambivalenz. Jener Widerspruch zwischen dem Klischee des Motivs, seinem Pathos und der verborgenen Abgründigkeit, die unter seiner Eindimensionalität schlummert.


Ein Beispiel für diese Doppelbödigkeit hinter dem Klischee eines Bildmotivs, hinter der Oberflächenästhetik sind die beiden Gemälde „Eva I“ 2005, 140 x 145 cm und „Eva II“, 2006, 155 x145 cm, Öltempera auf Leinwand, die man als Bild-Paar betrachten kann, da „Eva I“ einen vergrößerten Ausschnitt aus dem Bildmotiv Eva II“ darstellt: Wir wissen es ist Eva Braun, sobald wir aufgrund der angedeuteten Frisur des Mannes in der linken Bildecke Adolf Hitler „erkannt haben“ – das Gemälde zeigt also Eva Braun am Esstisch (Bild „Eva II“); es zeigt ebenso eine gut aussehende Frau am Tisch, die eine Serviette grazil hochnimmt; gleichzeitig sehen wir den fotografisch „eingefrorenen Moment“, die Fotografievorlage des gemalten Bildes und damit seine Reproduzierbarkeit und unendliche Wiederholbarkeit. Das gemalte Bild (besonders bei Bild „Eva I“) zeigt in Andeutung auch einen Zerfall, einen Bruch, inszeniert durch den Effekt des verwischten Pinselduktus im Gesicht Evas und in den tiefen, schwarzen leeren Flächen der Kleidung (bei „Eva I und Eva II“) – dort, an diesen Stellen im Bild scheint die doppelbödige Wirklichkeit des Nationalsozialismus „sichtbar zu werden“, die trügerisch idyllische Welt, die den Tod und Massenmorde ausblendet, begründet sich in ihrer eigenen Hermetik.


Bei der Betrachtung der Bildmotive Marius Heckmanns gibt es kein Entrinnen, keinen Fluchtweg aus Ambivalenzen. Marius Heckmann benennt, wiederholt medialisierte Bildmotive, um das Pathos, die Klischees, das Heroische der Bildmacht und der Bilderwelten aufzubrechen. Er will diese in Frage stellen, sie zur Sprache bringen, um letztendlich einen anderen Raum aufzuzeigen: jenen, einer existenziellen Leere. Einen Raum ohne Bilder, ohne jeglichen Boden – leer, tief und abgründig. Dies wird deutlich, sobald man ein Bildsujet Marius Heckmanns neben ein anderes setzt: „Kopf I /II“ des Boxers, ein Held, der gegen den eigenen Tod im schwarzen Nichts des Boxringes ankämpft neben die fallenden, fast körperlosen Silhouetten des 11. Septembers 2001. Dann wird deutlich, dass das verbindende Aussagemotiv Schrecken, Todeskampf oder Todesmacht in eine Leere, in ein Vakuum fällt. Die Schlagwörter „September- 11-2001“, „Eva Braun“ oder „Mailand 27.05.1959“ (Boxkampf) werden zu historischen Wegweisern einer medialisierten Welt, in der die Bilder keinen Ausweg finden. Der schwarze Hintergrund der Boxarena, das leichte Blau des
Himmels am 11. September sind der malerische Hintergrund, Szenerie des Ereignisses und gleichzeitig der Raum einer bodenlosen Tiefe, Wortlosigkeit und Leere.


Marius Heckmann thematisiert diese inhaltlichen, ästhetischen Widersprüche, ihre Ambivalenzen und damit unweigerlich auch seine Position als Maler, der in einer Bilderwelt voller Pathos, Klischees und Heroisierung nach einem Bild hinter den Bildern sucht. Der Tabubruch ist daher für den Maler notwendig sowie das Ausloten inhaltlicher Grenzen. Seine Ironisierungen und Zuspitzungen machen sogar den einzelnen Pinselstrich, ein scheinbares „Action-Painting“ – minutiös von ihm auf die Leinwand gesetzt – zu einer ästhetisch-formal gelungenen Inszenierung des Malaktes. Auch hier, ist dies ein existentieller Entwurf: es ist Marius Heckmanns malerischer Akt einen weißen Strich in die schwarze Leere des Bildraumes oder Abgrundes zu setzen – den Strich durch die Rechnung zu ziehen.